Neumen

Neumen
Neu|men 〈Pl.; MAnur die ungefähre Tonhöhe u. -bewegung angebende Notenzeichen, Vorform der heutigen Notenschrift [grch., „Winke“]

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Neumen
 
[von griechisch neuma »Wink«], Singular Neume die, -, Notenzeichen des Mittelalters, mit denen die einstimmigen Melodien, v. a. die der liturgischen Gesänge, aufgezeichnet wurden. In der Geschichte der Notenschriften stehen sie zwischen der Buchstabennotation der Antike und den aus den Neumen entwickelten Quadratnoten der Choralnotation. In ihrer frühen Form bezeichnen sie nur den allgemeinen Verlauf der Melodien und sind so nur Gedächtnisstützen bei der Ausführung der aus mündlicher Überlieferung bekannten Gesänge. Ein Pes (Podatus) oder eine Clivis (Flexa) bezeichnen nur ein auf- oder absteigendes Intervall, ohne dass sich bestimmen ließe, ob es sich um eine Sekunde, Terz, Quarte, Quinte oder Sexte handelt. Im Vergleich mit späteren, klarer oder eindeutig zu bestimmenden Notierungen derselben Melodien sind die Aufzeichnungen in Neumen dennoch von wesentlich historischer Bedeutung. Auch der Rhythmus der Melodien blieb unberücksichtigt. Dem schon seinerzeit verspürten Mangel versuchte man durch Zusatzzeichen (u. a. durch die »Litterae significativae«, Buchstaben, die u. a. »hoch«, »höher« oder »schnell« anzeigten) zu begegnen. Mit diastematischen Neumen wurden die Melodieverläufe, von gedachten Linien ausgehend, klarer festgelegt, bis seit dem 10. Jahrhundert mit der Einführung von ursprünglich ein oder zwei Orientierungslinien (allgemein für f und c1, bezeichnet durch einen Tonbuchstaben am Anfang oder durch Rot- und Gelbfärbung) die Intervallverhältnisse eindeutig fixiert werden konnten.
 
Die Neumenschrift gehört zu den geographisch sehr weit verbreiteten Notationen der Musikgeschichte. Außer Europa umfasst das »Neumengebiet« den Nahen Osten und das Gebiet bis zum Kaukasus. Dieser großen Verbreitung entsprechend setzt sich die »Neumenfamilie« aus mehreren Komplexen zusammen.
 
Neben den lateinischen Neumen West- und Mitteleuropas, deren früheste Belege bis in das 9. Jahrhundert zurückreichen, gab es u. a. byzantinische und slawische Neumen. Die Neumen entwickelten sich wahrscheinlich aus der ekphonetischen Notation, die ihrerseits auf die prosodischen Zeichen des griechischen Alphabets zurückgeführt wird. Aus der lateinischen Neumenschrift ist im 12. Jahrhundert die quadratische Choralnotation entstanden.
 
 
P. Wagner: Einf. in die Gregorian. Melodien, Bd. 2: N.-Kunde. (21921, Nachdr. 1962);
 
Tafeln zur N.-Schrift, hg. v. E. Jammers (1965);
 C. Floros: Universale N.-Kunde, 3 Bde. (1970);
 C. Floros: Einf. in die N.-Kunde (1980);
 M. Haas: Probleme der universalen N.-Kunde, in: Basler Studien zur Musikgesch. (Bern 1975);
 S. Corbin: Die N. (1977);
 B. Stäblein: Schriftbild der einstimmigen Musik (Leipzig 21984);
 M. Walter: Grundlagen der Musik des MA. Schrift, Zeit, Raum (1994).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Noten: Schriftliche Aufzeichnung der Musik
 

Universal-Lexikon. 2012.

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